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Unsere Geschichte

Im Winter 1870/71 bildete sich im Preußischen Abgeordnetenhaus und im Reichstag eine katholische Fraktion, deren Ursprung auf die Nationalversammlung in der Paulskirche zurückging und die sich in Anlehnung an ihre Sitzplätze zwischen den konservativen Rechten und den liberalen Linken „Zentrum“ nannte. Die Zentrumspartei wollte die Selbständigkeit der katholischen Kirche im preußisch-protestantisch dominierten Deutschen Reich bewahren und die Interessen des katholischen Bevölkerungsteils vertreten. Durch die kirchlichen Organisationen, die 1894 gegründeten christlichen Gewerkschaften sowie durch zahlreiche Zeitungen und Publikationsorgane war das Zentrum in allen sozialen Schichten verankert.

Der unmittelbar nach der Reichsgründung einsetzende Konflikt zwischen Staat und katholischer Kirche trug entscheidend zur Festigung des Zentrums bei. Bedeutendster Opponent Otto von Bismarcks war im „Kulturkampf“ der Parteiführer Ludwig Windthorst (1812-1891). Zwischen 1874 und 1914 behauptete das Zentrum immer zwischen 90 und 100 Sitze im Reichstag. Keine andere deutsche Partei hatte so konstante Wahlergebnisse. Nach der Abkehr Bismarcks vom „Kulturkampf“ und dem Beginn seiner Sozialpolitik verlor das Zentrum seine Rolle als Oppositionspartei und übernahm parlamentarische Mitverantwortung. Seit 1890 trat die konfessionelle Ausrichtung der Partei zugunsten eines stärker sozialpolitischen Engagements zurück. Nach den Kolonialkriegen in Deutsch-Südwestafrika lehnte das Zentrum jedoch mit der SPD einen Nachtragsetat zur Finanzierung der deutschen „Schutztruppe“ ab und übernahm wieder die Rolle einer Oppositionspartei. Vor dem Ersten Weltkrieg gewann der süddeutsch-demokratische Flügel um Matthias Erzberger zunehmend an Einfluss.

Gemeinsam mit der SPD und der Fortschrittlichen Volkspartei bildete das Zentrum unter Führung von Matthias Erzberger den „Interfraktionellen Ausschuss“. Der Ausschuss setzte sich für eine „Parlamentarisierung“ des Deutschen Reichs ein und verabschiedete im Juli 1917 eine Resolution, in der ein Frieden ohne Annexionen gefordert wurde. Die Friedensresolution beruhte maßgeblich auf Erzbergers Initiative.

Von November 1917 bis September 1918 stellte das Zentrum mit Georg Graf von Hertling erstmals einen Reichskanzler, und im Kabinett des Prinzen Max von Baden war das Zentrum mit drei Staatssekretären vertreten.

In der Weimarer Republik nahm das Zentrum eine wichtige Rolle ein, da es im Parteiensystem eine bedeutende Stellung in der politischen Mitte hatte. Es war zwar grundsätzlich mit fast allen politischen Gruppierungen von der SPD bis zur DNVP koalitionsfähig, hatte damit aber stärker als zuvor das Problem, die innerparteilichen Gegensätze auszugleichen. Eine ausgleichende, zentrale Position sicherte der Parteivorsitzende Felix Porsch. An den Regierungen der Weimarer Republik und in der Weimarer Nationalversammlung war das Zentrum daher maßgebend beteiligt. Die ab 1919 genutzten Zusatzbezeichnungen „Christliche Volkspartei“ bzw. „Christlich-demokratische Volkspartei“ verschwanden nach kurzer Zeit wieder.

Unter den Parteivorsitzenden Erzberger (am 26. August 1921 von Rechtsextremisten ermordet) und Marx stand das Zentrum fest auf dem Boden der Weimarer Verfassung und trieb die Sicherung der Republik und den Ausbau des Sozialstaates voran. Besonders die Einführung der Arbeitslosenversicherung ist dem Zentrum maßgeblich zuzuschreiben.

Während der NS-Diktatur wurden zahllose Zentrumspolitiker diskriminiert, inhaftiert und in Konzentrationslagern umgebracht. Die Verfolgung von Zentrumspolitikern erstreckte sich von hohen Funktionären bis zu einfachen Mitgliedern der Zentrumspartei.

Schon 1933 wurde das Konzentrationslager Osthofen mit Häftlingen aus den Reihen der Zentrumsmitglieder gefüllt. Die NS-Diktatur sah in der katholischen Kirche und ihrer politischen Repräsentanz eine Gefahr, denn vor der Machtergreifung waren Mitglieder der NSDAP durch die katholischen Bischöfe von den Sakramenten ausgeschlossen worden. Die katholische Kirche hatte den Katholiken ausdrücklich verboten, die NSDAP zu unterstützen oder zu wählen.

Da sich in der Folge des Jahres 1935 in der katholischen Kirche die Einsicht durch setzte, dass der mit dem Konkordat unternommene Versuch, die katholische Kirche und die deutschen Katholiken zu schützen, gescheitert war, wurden in der Folge immer mehr Katholiken zu Aktivisten, die sich dem nationalsozialistischen System widersetzten, darunter viele Gläubige, die zuvor Mitglieder des Zentrums gewesen waren. Zahlreiche Zentrumspolitiker organisierten sich in der Folge im Untergrund, um Widerstand gegen die NS-Diktatur zu leisten.

Nach dem Krieg wurde das Zentrum wiedergegründet, da die neu entstandene CDU einen Kurs steuerte, der als zu rechtslastig empfunden wurde: Die Zentrumspartei war sozialpolitisch links und lehnte zum Beispiel die Wiederaufrüstung ab. Andererseits war sie weniger liberal, nämlich konfessioneller in der Kulturpolitik. Die Partei hatte aber ihre Funktion als christlich-katholische Volkspartei verloren, da die CDU konzeptionell eine gemeinsame Partei beider großer Konfessionen war.


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